Karimas Füsse

Emanzipierte Pferde.

Es ist garnicht so einfach, Pferde das werden zu lassen, was sie sein wollen. Denn dazu muss und musste ich alles verlassen, was ich über Trainings dachte.

Warum sollte ich das tun, könntet ihr euch fragen. Ich habe es aus Liebe getan. Und ich habe es getan, weil ich glaube, dass sich etwas ändern muss – auf dieser Welt.

Darum habe ich damit angefangen den Pferden, die zu mir gehören, die Möglichkeit zu eröffnen ihre Welt zu verstehen, persönlich zu reifen, zu wachsen, »erwachsen« und sie selbst zu werden. Indem sie sich selbst, ihren Körper und die Dinge, denen sie in ihrem und unserem Leben ausgesetzt sind, auf ihre persönliche, tierische und subjektive Weise kennen und verstehen lernen. Ich möchte, dass sie wissen, wie sie agieren können. Statt nur zu reagieren.

Wissen, was ein Strick ist.

Der Führstrick hat zum Beispiel viele Erfahrungselemente, die dem Pferd normalerweise nicht erlaubt sind. Im besten Fall will der Mensch sie vor negativen  Erfahrungen schützen. Im schlechtesten Fall wollen wir ihnen zeigen, wer der Boss ist und sagen, dass sie nicht selbst nachdenken sollen, sondern, dass wir das für sie tun.

Normalerweise befindet sich ein Führstrick irgendwann plötzlich aus einem für das Pferd unerfindlichen Grund unterhalb seines Mauls. D.h. er ist für das Pferd unsichtbar und nur durch das Ende, das möglicherweise auf dem Boden schleift, und auf das es vielleicht tritt oder an dem es sich am Halfter aufhängt, erlebbar.

Der Mensch greift dabei oft ein, um Schlimmes zu verhindern. Er nimmt dem Pferd seine Antworten ab, weil er sich in der Verantwortung fühlt. Doch so bleibt der Strick für das Pferd ein Mysterium, das es nicht wirklich kennen lernen, erleben und erfahren darf. Er bleibt ein Rätsel.

Das Recht auf eigene Antworten.

Niemand anderer, ich nicht, kein Trainer dieser Welt kann dem Pferd erklären, wie es einen Führstrick wirklich verstehend in seine Welt einbauen kann. Denn das kann es nur selbst und auf seine Weise erfahren.

Klingt erst mal einfach. Ist es aber nicht. Denn einfach machen lassen ist nicht die Lösung. Den meisten Pferden fehlen dazu wichtige Tools. Bzw. insgesamt das Wissen, wie sie sich mit »Dingen« auf ihre Art auseinandersetzen. Sie sind durch das Aufwachsen mit uns Menschen gefangen in konditionierten, auf die richtige Reaktion (und am Ende »Aufgeben« es anders zu versuchen) ausgerichteten Verhaltensmustern. Sie erleben Fragen und wissen nicht, wie sie ihre persönlichen Antworten finden können. Sie erleben Hilflosigkeit, die wir ihnen beigebracht haben. Und sind völlig überfordert, wenn eine solche pferdische Auseinander-
setzung gefragt ist. Sie müssen zuerst wiederentdecken, dass sie die Fähigkeit dazu überhaupt besitzen.

Ein Beispiel einer eigenen Antwort.

Farhaneh hängt sich am Anbindestrick auf. Ein Klassiker.

Nur – Farhaneh weiss genau, was ein Strick ist. Was er macht, bedeutet, kann. Und vor allem weiss sie: was SIE mit diesem Strick tun kann. Der Schreckmoment - wahrscheinlich hat jeder Pferdehalter ihn schon erlebt. Und wir alle haben die Anbindemethode dafür, und machen einen Zug am entsprechenden Knoten.

Was ich bis dahin noch nicht wusste ist, dass Farhaneh das auch weiss. Sie hatte den Strick über dem Genick. Und machte, Zack, selbstständig mit den Zähnen den Knoten auf. Vorher hatte sie hundertmal den Knoten aufgezogen, wenn sie keine Lust mehr hatte angebunden zu sein. Oder weil ihr langweilig war, hatte ich gedacht. Es war ein wenig unser »running gag«. Aber dabei hat sie gelernt.

Heute sehe ich darum so viele Dinge, die sie tut, anders. Wenn sie zum Beispiel in den Stall läuft und erst mal mit beiden Vorderbeinen auf den Strohballen klettert. Sie lernt. Für was sie das irgendwann einmal braucht, oder ob es ihr einfach Spaß macht ... wie soll ich als Mensch das wissen. Und vielleicht gehört ja auch Beides zusammen.

Es gibt andere Beispiele und sie ist nun auch ein Pferd, das wenig bis gar keine Konditionierungs- und »Ich weiss deine Antworten« Trainings erfahren hat. Mit der Konsequenz, dass man auch nicht einfach so von ihr verlangen kann, dass sie sich alles gefallen lässt. Mache ich übrigens auch nicht.

Und – ihre Grundeinstellung Neuem gegenüber ist erst einmal offen. Sie ist viel zu neugierig (geblieben), um nicht wissen zu wollen, was mit den Dingen und ihr passiert. Sie hat keine Angst vor »Problemen«. Sie weiss, ist sich sicher, dass und wie sie ihre Antworten finden kann. Und so bewegen wir uns gemeinsam. Ich fühle mich ihr nicht überlegen. Sie ist ein emanzipiertes Pferd.

Abkehr von reaktivem Verhalten.

... einer wirklich fatalen Folge der herkömmlichen »Kommunikation« mit Pferden.

TBC.